Daniel Csillag ist seit Februar 2024 CEO von Graphisoft und lenkt das renommierte Unternehmen in eine herausfordernde Zukunft. Er hat zuvor viel Erfahrung in der Bausoftwarebranche gesammelt, unter anderem zwischen 2017 und 2022 als CEO von Nevaris und General Manager von Bluebeam, zwei Schwesterunternehmen der Nemetschek Group.
Sein Credo: Graphisoft wird als ein Innovator weiterhin in der ersten Reihe stehen.
CAD NEWS MAGAZIN: Herr Csillag, zunächst noch herzlichen Glückwunsch für Ihre Benennung als CEO bei Graphisoft. Was sind Ihre Ziele zum Start in Ihrer neuen Position bzw. Ihr Resümee nach dem ersten Vierteljahr?
Daniel Csillag: Vielen Dank! Graphisoft hat seit jeher einen besonderen “Spirit”, der sich in den Produkten widerspiegelt, aber vor allem von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weltweit gelebt wird. Wir haben mit Archicad und DDScad zwei sehr gute Planungswerkzeuge im Markt, die vielfältig eingesetzt werden. Und wir pflegen eine große und stetig wachsende Community. Dennoch sehe ich Potenziale, die wir heben wollen. Meine oberste Prämisse lautet, mit Graphisoft einen überdurchschnittlichen Beitrag zum Erfolg der Nemetschek-Gruppe zu leisten. Die Basis hierfür sind begeisterte Anwenderinnen und Anwender.
Ein aktuelles Beispiel: Ich hatte vor kurzem ein Gespräch mit einem australischen Archicad-Kunden. Er meinte, Qualität, Usability, Prozesse bei Archicad sind absolut top. Doch bei der Interaktion und Unterstützung durch Graphisoft bei seinen individuellen Aufgaben und Projektherausforderungen sah er durchaus noch “Luft nach oben”. Dieses Feedback deutet auf ein weiteres, wichtiges Ziel: Wir bauen die Beziehung zu unseren Kunden weiter aus. Wir werden ihnen noch mehr zuhören, um zukünftig noch bessere Planungslösungen für ihren individuellen Projekt-Workflow anzubieten. Dafür haben wir mit Archicad, DDScad, BIMx und unserer BIMcloud die richtigen Produkte im Markt, mit denen wir eine integrale Zusammenarbeit noch effizienter und einfacher gestalten können.
CAD NEWS MAGAZIN Was sind Ihrer Meinung nach die aktuellen Herausforderungen der AEC-Branche und wie wollen Sie ihnen begegnen?
Daniel Csillag: Wie zuvor erwähnt: Die integrale Planung, also die fachübergreifende Zusammenarbeit von Planungsbeteiligten verschiedener Disziplinen, wird immer wichtiger. Denn die Projekte werden immer anspruchsvoller und komplexer. Dafür muss die ganze Bausoftwarebranche übergreifende Lösungen und Workflows bereitstellen und so eine effiziente Teamarbeit ermöglichen. Das gilt für unsere Marktbegleiter ebenso wie für alle Marken in der Nemetschek Group, zu der wir gehören. An den passenden Lösungen arbeiten wir bereits gemeinsam in produkt- und markenübergreifenden Teams. Ein weiterer Aspekt ist der sinnvolle Einsatz von KI in der Planung. Mit dem neuen Archicad AI Visualizer unterstützen wir zum Beispiel die Variantenplanung KI-basiert in den frühen Entwurfsphasen. Das innovative Tool liefert Inspiration und unterstützt bei der Gestaltfindung – wie ein digitaler Sparringspartner im Brainstorming! Und ein dritter wichtiger Punkt ist die frühe und umfassende Lebenszyklus-Betrachtung eines Bauwerks. Und zwar schon in der Planung. Das LCA-Add-on für Archicad beispielsweise zeigt hierfür wichtige Parameter und Kennwerte auf, unterstützt bei der Abwägung der bestmöglichen Konstruktion, verschafft einen Überblick über Nachhaltigkeitsaspekte und ermöglicht den Varianten- und Kostenvergleich. Und zwar lange bevor der erste Bagger anrollt.
CAD NEWS MAGAZIN: Archicad hat vor 30 Jahren die erste objektbasierte und komplett 3D-fähige CAD-Lösung auf den Markt gebracht und zählt zu den Pionieren des BIM (Building Information Modeling). Mit welchen Neuerungen will Graphisoft den Vorreiterstatus von einst auch heute noch untermauern?
Daniel Csillag: Was Sie ansprechen ist ein wichtiger Teil unseres Markenkerns. Und es ist ein Versprechen an unsere Kundinnen und Kunden: Wir waren, sind und bleiben Pioniere, nicht allein in Bezug auf BIM. Damit wir auch in Zukunft in der ersten Reihe der Innovatoren stehen, dürfen wir das Gespür für Kundenanforderungen und Kundenwünsche nicht verlieren und fokussieren unsere “Leadership”-Funktion in der Branche. Bei Archicad und DDScad, zwei wichtigen Kernprodukten, müssen wir das immer wieder unter Beweis stellen. Das gelingt fast immer. Und wenn doch nicht, werden wir von der Community konsequent darauf hingewiesen und lernen für das nächste Update. Mit Archicad 27 sind wir einen wichtigen Schritt in Richtung Zukunft gegangen und liefern mit dem AI Visualizer ein erstes, integriertes KI-Tool. Weitere KI-Werkzeuge werden in den kommenden Jahren folgen. Die für den Einsatz von KI aktuell notwendige hohe Rechenleistung wollen wir aber stärker cloudbasiert realisieren. So kann auch ein kleines Büro, das nicht mit den leistungsstärksten Computern ausgestattet ist, von diesen Werkzeugen profitieren. Hierzu passt auch, dass wir Archicad zum Beispiel für die aktuellen Apple M3-Prozessoren optimiert haben. Die Leistungssteigerungen sind dabei enorm; wir informieren dazu auch auf unserer Homepage. Viel wichtiger als technische Features sind aber reibungslose Workflows und eine optimale Unterstützung in der Projektarbeit! Das wird unter anderem über die stärkere Einbindung des plattformübergreifenden Open BIM-Standards in unsere Softwarelösungen ermöglicht. Hinzu kommen leistungsstarke Anwendungen in den Bereichen VR, AR und vor allem im Nachhaltigkeitssektor, wo wir mit dem LCA-Add-on in Archicad schon jetzt ein erstes Werkzeug anbieten.
CAD NEWS MAGAZIN: Warum sollten sich Neukunden ausgerechnet für Graphisoft-Produkte entscheiden?
Daniel Csillag: Dafür gibt es verschiedene Gründe. Einer der wichtigsten ist die Arbeitsweise der Software, bereits Mitte der 1980er Jahre von Architekten für Architekten geschaffen. Mit Archicad entwickelt sich das Gebäudemodell in der BIM-Planung parallel zum Projektfortschritt weiter. So ist seit der ersten Version gewährleistet, dass Archicad “dicht am Puls” der Anwenderinnen und Anwender bleibt. Archicad und DDScad sind intuitiv zu bedienen und verfügen über eine klare, benutzerfreundliche Programmoberfläche. Ein weiterer Punkt ist die Unterstützung bei der integralen Planung: Wir liefern Werkzeuge, die Open BIM in ihre DNA geschrieben haben. Anders als im Closed BIM-Umfeld kann jeder der Beteiligten die eigene Software für das Projekt nutzen und sich via IFC und BCF miteinander austauschen. Archicad ist außerdem in der Lage, Fachmodelle mit dem Archicad-Architekturmodell zu verknüpfen und früh Planungsfehler ausfindig zu machen. Im Zusammenspiel mit Solibri, einer weiteren Nemetschek-Software, lässt sich zum Beispiel ein koordiniertes Planungsmodell erstellen, das kostspielige Baufehler verhindert. Und das funktioniert zuverlässig und mit hoher Qualität! Wie schon zuvor gesagt: Die Komplexität der Projekte und die Anforderungen an alle Baubeteiligten wachsen weiter. Ein gutes und übergreifendes Teamwork wird damit unverzichtbar. Diese Zusammenarbeit unterstützen und fördern wir mit unseren Produkten jetzt und in Zukunft.
Herr Csillag, wir danken Ihnen herzlich für das interessante Gespräch.
Das Interview führte Alexandra Ostermann, leitende Redakteurin des CAD NEWS MAGAZINS